Jugendseminar in Jaice (2011)
Einen detaillierten Bericht finden Sie im Rundbrief vom Oktober 2011.
1. Ausgangslage
Die Schweizerische Helsinki Vereinigung für Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte (SHV) hat sich seit ihrer Gründung 1977 vor allem in Ost- und Südosteuropa betätigt. Nach der Wende von 1989 konzentrierte sie ihre Aktivitäten auf die Unterstützung des Aufbaus lokaler demokratischer Institutionen und funktionierender Gemeindeverwaltungen. Sie veranstaltete regelmässig Seminare in der Schweiz mit Bürgermeistern aus einzelnen ost- und südosteuropäischen Staaten; 2005 fanden bspw. Seminare mit Bürgermeistern aus Bulgarien und Rumänien statt.
Seit dem Beitritt dieser Staaten zur EU verlagerte die SHV ihre Tätigkeit auf jene Staaten Süd-, Ost und Mitteleuropas, die (noch) nicht Beitrittskandidaten der EU waren. Zwei Seminare mit Jugendlichen aus Serbien, 2007 in Palic/Vojvodina und 2008 auf Wunsch der Teilnehmenden in Kappel/Schweiz erwiesen sich als erfolgreich und ermutigten die Jugendlichen zu weiteren Aktivitäten mit Menschenrechtsprojekten für Schulen in der Schweiz und mit der Gründung von Jugendorganisationen mit ähnlichen Zielsetzungen in Serbien. So entschloss sich der Vorstand der SHV, 2011 ein ähnliches Jugendseminar in Bosnien und Herzegowina durchzuführen. Anlass war die weitgehende Stagnation der politischen Entwicklung in BiH mit vielfach entmutigenden Konsequenzen gerade für die heranwachsende Generation, woran die Wahlen vom 3. Oktober 2010 kaum etwas zu ändern vermochten. Die anhaltende internationale Präsenz schien die Übernahme von Eigenverantwortung durch Politik und Bürgerinnen und Bürger zu hemmen. Zudem tendierte die Jugend angesichts der mangelnden Aus- und Weiterbildung und der hohen Arbeitslosigkeit auszuwandern, was zu einem veränderten Kräfteverhältnis der Bevölkerungsgruppen beiträgt. In der Diskussion um die Verfassungsreform waren Überlegungen im Spiel, die neben Machtansprüchen auch ethnische Gesichtspunkte enthielten. Allerdings schienen sich Befürchtungen einer „schleichenden Islamisierung“ des Landes in Grenzen zu halten.
Eine Dreiergruppe der SHV hat im September 2010 während einer Woche Sarajevo und den Norden des Landes (Tuzla, Gradacac, Modrica (beide an der Eititätsgrenze zwischen der Föderation und der Republika Srpska), Banja Luka sowie Jajce besucht und überall VertreterInnen von NGOs und Jugendorganisationen getroffen. Wir wollten vor allem die konkreten Anliegen der Jugendlichen kennen lernen, um das Seminar gestützt auf ihre Bedürfnisse zu gestalten. Alle Kontaktpersonen hatten ihre Teilnahme, zum Teil auch als ModeratorInnen und als ExpertInnen, zugesagt und übereinstimmende Themen eingebracht, die auch unseren eigenen Zielsetzungen entsprachen. Gestützt auf diese breit gefächerten Umfragen und unsere eigenen Zielvorstellungen formulierten wir das folgende Projekt:
2. Projekt des Jugendseminars 2011
2.1. Zielsetzungen
Mit dem Seminar bezweckten wir:
- die Jugendlichen zu eigener Aktivität anzuregen, respektive sie in ihren Aktivitäten mit zusätzlichen Informationen und Diskussionen zu fördern;
- das Selbstvertrauen der Jugendlichen zu stärken, ihre Anliegen zu formulieren und in der Gesellschaft, sowie in Gemeinden und Behörden vorzubringen;
- den Jugendlichen zusätzliche Sachkenntnisse zu vermitteln und Wege aufzuzeigen, wie sie in den von ihnen gemeinsam mit uns ausgewählten Themenkreisen zu neuen Erkenntnissen gelangen und Ergebnisse erzielen, die sie bei ihren konkreten Anliegen weiterbringen;
- in den Workshops konkrete Fälle aus BiH und der Schweiz zu behandeln und konkrete Ergebnisse zu erzielen, die
- zur Weiterführung und Vertiefung der Diskussionen im eigenen Umfeld und deren Umsetzung in konkrete Tätigkeit ermutigen;
- zur Weiterführung und Vertiefung des Dialogs mit uns zu ausgesuchten Themen bei Anschlusstreffen, eventuell in der Schweiz, auffordern.
2.2. Das Projekt im Einzelnen
Das Seminar fand vom 28. bis 31. Juli 2011 in Jajce/BiH statt. Teilnehmende waren Jugendliche zwischen 17 und 25 Jahren. Leiter/Monitoren der Workshops waren Jugendliche und in der Jugendarbeit erfahrene Personen aus BiH und der Schweiz. In jedem Workshop arbeiteten auch Expertinnen und Experten aus beiden Staaten mit. Wir rechneten mit etwa 40-50 Teilnehmenden, 10 davon aus der Schweiz. Der Vorstand war mit 3 bis 4 Personen vertreten. Vier Workshops behandelten von den Jugendlichen gewünschte Themen, die auch zu den Zielsetzungen der SHV gehörten:
Workshop1: Menschenrechte und Demokratie – Leitung Dr. iur. Malcolm Maclaren, Habilitand an der Universität Zürich)
Der Schwerpunkt der Diskussionen lag auf der Staatsverfassung als Instrument zur Demokratieförderung und zum Menschenrechtsschutz . Insbesondere wurden zwei Themen ausgewählt: die föderalistische Ordnung und die Gleichstellung in der Bevölkerung. Diese Themen wurden unter Einbezug unserer Verfassungsstrukturen und Erfahrungen mit Revisionen untersucht. Das Ziel des Workshops war es, die Kenntnisse und den Willen der Jugendlichen in BiH zu weiteren demokratischen und menschenrechtlichen Bestrebungen zu fördern.
Workshop 2: Medien in der Demokratie – Unabhängigkeit und Kontrolle – Leitung Hanspeter Spörri, Journalist, ehem. Chefredaktor beim BUND
Hier ging es hauptsächlich um die Medienfreiheit und deren Auswirkung auf die Gestaltung der Medien, um Mediengesetze in BiH und der Schweiz und deren Anwendung und Durchsetzung.
Workshop 3: Entscheidfindung in der (direkten) Demokratie – Leitung Dr. iur. Christian Sager
Akzente wurden auf die Bedeutung der Toleranz zwischen den Bevölkerungsgruppen einschliesslich der Minderheiten gelegt, als Grundlage für Kompromissbereitschaft und Konsens bei der Entscheidfindung, die insbesondere das friedliche Zusammenleben in Staat und Gesellschaft fördern.
Workshop 4: Soziale und Umweltfragen, Rolle der Jugendlichen in der Gesellschaft – Leitung lic.phil. hist. Fabian Hunold, Mitarbeiter EDA
Im Vordergrund standen Vernetzung mit andern Jugendlichen, Rolle der Jugendlichen in der Gesellschaft und Freiwilligenarbeit, aber auch Lösungsmöglichkeiten bei Arbeitslosigkeit durch bessere Aus- und Weiterbildungschancen, erfolgreiches Engagement in Wirtschaft und Politik ohne Korruption. Die Workshops sollen von zwei Plenarsitzungen umrahmt werden. In der ersten Plenarsitzung werden die Themen des Seminars in Grundsatzreferaten vor allem von lokalen Persönlichkeiten vorgestellt, in der zweiten, das Seminar abschliessenden Sitzung werden die Ergebnisse der Workshops vorgestellt und Vorschläge für Folgeaktivitäten eingebracht.